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Gerichtsurteil in Bellinzona: Freispruch für Tessiner Theologieprofessor
Aus SRF 4 News vom 23.04.2024. Bild: Keystone/Ti-Press/Alessandro Crinari
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Gerichtprozess in Bellinzona Homophobie und Christentum – eine unheilige Allianz

«Theologisches». So heisst die Zeitschrift, in der der Artikel mit den homophoben Passagen im Jahr 2021 erschien. Verfasst hat diesen allerdings nicht der freigesprochene Herausgeber, Theologieprofessor Manfred Hauke, sondern der polnische Theologe Dariusz Oko. Titel: «Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der Kirche zu begrenzen».

Inzwischen ist der Artikel bei der Zeitschrift nicht mehr online verfügbar. Vor Gericht wurde der Text aber ausführlich diskutiert, wie es heisst. Von «rücksichtslosen Parasiten», einer «Plage», einem «Krebsgeschwür, das sogar bereit ist, seinen Wirt zu töten» und einer «Homomafia» sei darin zu lesen.

Neues Gesetz greift

Seit Juli 2020 ist in der Schweiz eine erweiterte Antirassismus-Strafnorm in Kraft: ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Auf dieser Grundlage erstattete die Schweizer Dachorganisation «pink cross» Anzeige gegen den Herausgeber Hauke.

Vor Gericht führte die Verteidigung an, der Text spreche nicht von allen Homosexuellen; und: Manfred Hauke sei als Herausgeber laut Impressum nicht inhaltlich verantwortlich.

Dass es auch in der Schweiz ein erzkonservatives, römisch-katholisches Milieu gibt, ist nicht neu. Dass aber derartige Texte in einem theologischen Monatsmagazin publiziert werden, herausgegeben von einem Professor einer Schweizer Universität, wirkt nicht nur anachronistisch, sondern auch höchst befremdlich.

Die Öffnung rückgängig machen

In der Monatsschrift finden sich auch Sätze wie: «Die schlimmste Verfolgung der Kirche kommt nicht von aussen, sondern von innen». Im Grusswort zum 40. Jubiläum schreibt Manfred Hauke, dass der Ursprung der Zeitschrift «in dem festen Willen katholischer Priester und Laien, inmitten der nachkonziliaren Glaubenskrise die Treue zur überlieferten Lehre der Kirche zu fördern» liege.

Kurz gesagt: Die Öffnungen der römisch-katholischen Weltkirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sollten bitte rückgängig gemacht werden. Die Zitate legen nahe, dass Professor Hauke und die zitierte Zeitschrift tief im erzkonservativen Milieu zu verorten sind. Ein Milieu, das sich auf vermeintlich christliche Grundsätze beruft.

Die Kehrtwende wagen

Nun hat das Christentum eine sehr unrühmliche Geschichte im Umgang mit queeren Menschen. Einige Kirchen haben in der queeren Frage eine 180 Grad Kehrtwende vollzogen und anerkannt, dass Christenmenschen durch Ausgrenzung und Diskriminierung Schuld auf sich geladen haben.

Andere Kirchen spalten sich gerade an dieser Frage. Und – wie dieser Fall zeigt – gibt es auch heute noch dezidiert und offen geäusserte homophobe Haltungen.

Kein moralisches Urteil

Mentari Baumann, Geschäftsführerin des Vereins «Allianz Gleichwürdig Katholisch», war als Aktivistin an der Kampagne zur Erweiterung der Strafrechtsnorm beteiligt. Ihr sei bewusst, dass das Denken der Menschen schwer zu ändern ist, doch die Unterscheidung ist ihr wichtig: «Das Urteil der Richterin bedeutet nicht, dass die Aussagen moralisch richtig sind», sagte sie auf Anfrage gegenüber SRF.

Das Gerichtsverfahren und die Zitate aus der Zeitschrift machten klar, dass diese homophoben Positionen immer noch vertreten würden. In der Gesellschaft und auch in der Kirche.

Baumann lebt offen lesbisch und ihr begegneten viele «queer-freundliche» Menschen in den Pfarreien vor Ort. Den aktuellen Vorfall sieht sie als Anlass, gegen Homophobie immer wieder aufzustehen und zu sagen: «Wir teilen diese Einstellung nicht – sie ist falsch.»

Dorothee Adrian

Dorothee Adrian

Fachredaktorin Religion

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Dorothee Adrian ist Religions-Redaktorin bei SRF. Sie hat Theologie an der Universität Basel studiert. Vor ihrer Zeit bei SRF war sie bei der Tageswoche in Basel und bei Mission 21 tätig.

USI gründet Ad-hoc-Ethikkommission

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Die Università della Svizzera italiana (USI) und die daran angeschlossene Theologische Fakultät von Lugano (FTL) teilten mit, Universität und FTL hätten eine Ad-hoc-Ethikkommission gegründet.

Diese solle prüfen, ob der Vorfall gegen die Prinzipien der Universität verstossen hätten. Manfred Hauke hat vorerst seinen Lehrauftrag niedergelegt.

Die Universität will also die Sache überprüfen – doch auf Rückfrage von SRF gab sie weder Auskunft darüber, wer in der Kommission sitzt, noch bis wann die Untersuchung laufen soll.

 (adr/ATS)

SRF 4 News, 22.4.2024, 21:30 Uhr.

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